Nach Abschluss des Hausbaus muss ein Immobilienbesitzer Mängel nicht einfach hinnehmen. Dafür gibt es Mängelrechte, auf die er innert gesetzlich vorgeschriebener Frist pochen kann. Wird zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer ein Werkvertrag nach SIA-Norm 118 abgeschlossen, gelten für den Bauherrn bessere Rügebedingungen. Ist dem nicht so, kommt das Obligationenrecht zur Anwendung.

In beiden Fällen gilt: Nach Fertigstellung eines Objekts hat eine Bauabnahme zu erfolgen. Diese dient nicht nur dazu, bereits erkannte oder direkt bei der Begehung erkennbare Mängel festzuhalten. Sie ist auch der Startschuss für den Beginn der Rüge- und Verjährungsfristen. Ohne Bauabnahme droht im Streitfall Uneinigkeit über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Immobilie. Bemüht sich keine der beiden Vertragsparteien um eine Abnahme, kann das Werk als stillschweigend und mängelfrei abgenommen gelten.

Die Rüge- und Verjährungsfristen unterscheiden sich je nach Abschlussart des Werkvertrags folgendermassen:

Rügefrist nach SIA 118:

  • Die Bauabnahme hat innerhalb von 30 Tagen nach Fertigstellung des Objekts zu erfolgen. Dafür muss der Bauleiter dem Bauherren den Zeitpunkt der Vollendung melden.
  • Nach der Bauabnahme kann der Bauherr während zwei Jahren zu jedem Zeitpunkt weitere Mängel rügen und deren Beseitigung verlangen. Dabei kann er kleinere Mängel sammeln und dem Unternehmer zu einem frei wählbaren Zeitpunkt innerhalb der Rügefrist eine Liste vorlegen. Die Beweislast, ob ein Mangel vorliegt oder nicht liegt beim Unternehmer.
  • Verdeckte Mängel kann der Bauherr während drei weiteren Jahren rügen, also insgesamt während fünf Jahren. Aber Achtung: Gemäss Bundesgerichtsentscheid sind diese innert 7 Tagen nach Entdeckung zu melden. Die Beweislast für verdeckte Mängel liegt beim Bauherrn.
  • Für absichtlich verschwiegene Mängel gilt eine Rügefrist von 10 Jahren.

Rügefrist nach OR:

  • Entdeckt der Bauherr nach der Bauabnahme Mängel in einem unbeweglichen Bauwerk, kann er diese während fünf Jahren, spätestens innerhalb von 7 Tagen nach deren Feststellung rügen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um offene oder verdeckte Mängel handelt. Die Beweislast, ob ein Mangel besteht oder nicht, liegt aber in jedem Fall beim Bauherrn.
  • Ausgenommen sind sowohl bei Werkverträgen nach SIA als auch nach OR die Elektrogeräte, die als Fertigprodukte geliefert und in das Haus eingebaut wurden. Für diese gilt eine gesetzliche Garantiefrist von zwei Jahren.

Verjährungsfrist nicht vergessen

Ein Mangel ist stets schriftlich und am besten per eingeschriebenem Brief zu rügen. Erfolgt keine umgehende Beseitigung, muss der Bauherr auf die Verjährungsfrist achten. Denn fünf Jahre nach der Bauabnahme kann der Unternehmer auch bei rechtzeitig gerügten Mängeln auf die Verjährungsfrist bestehen und eine Behebung womöglich umgehen.

 

Wer ein Haus baut, muss keine Mängel dulden. Mit einer Mängelrüge kann der Bauherr die Behebung des Fehlers, eine preisliche Minderung oder – im schlimmsten Fall – die Rücknahme des Objekts verlangen. Eine Mängelrüge ist nicht nur gegenüber den ausführenden Unternehmen möglich, sondern auch gegen Architekten und Ingenieure. Liegt ein Planungsfehler vor, muss dieser also nicht akzeptiert werden.

Doch Achtung: Wie jeder andere Mangel auch muss dieser sofort nach der Entdeckung gerügt werden. Geschieht dies zu spät, kommt der Planer möglicherweise mit einem blauen Auge davon. Ein Beispiel dafür ist die «Sennhof-Affäre» in Winterthur, die bis vors Bundesgericht gelangte:

Fallbeispiel: Sennhof-Affäre

  1. Die Stadt Winterthur baut zwischen 2006 und 2007 in der Aussenwacht Sennhof ein neues Schulhaus.
  2. Sie beauftragt Ingenieur A mit der ingenieurtechnischen Bearbeitung der Tragkonstruktion sowie der Ausführungsplanung und der Überwachung der Baurealisierung.
  3. Ein anderes Unternehmen wird als Baumeister eingesetzt.
  4. Kurz nach Beginn der Bauarbeiten entdeckt der Baumeister, dass die Stahlbetonarbeiten falsch ausgeschrieben wurden. Er stellt die Fachkompetenz von Ingenieur A in Frage.
  5. Der Baumeister zieht zur Überprüfung der Statik einen zweiten, eigenen Ingenieur (B) bei. Dieser stellt verschiedene Mängel fest, welche der Baumeister mit einer Abmahnung geltend macht.
  6. Um die Sachlage zu überprüfen, verpflichtet die Stadt Winterthur mit Ingenieur C einen weiteren Fachmann. Dieser bestätigt die vorhandenen baustatischen Mängel.
  7. Die Stadt lässt daraufhin die Bauarbeiten komplett einstellen.
  8. Mit D kommt ein weiterer Ingenieur ins Spiel, der die gesamte Statik noch einmal auf Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit überprüft. Sein ernüchternder Bericht liegt zweieinhalb Monate nach der ersten Feststellung der baustatischen Mängel vor.

Zusammenarbeit gekündigt, Klage eingereicht – aber zu spät!

Die Stadt Winterthur kündigt daraufhin die Zusammenarbeit mit Ingenieur A fristlos. Zudem reicht sie Klage ein. Ingenieur A verklagt hingegen seinerseits die Stadt Winterthur betreffend Honorar sowie Anwalts- und Expertisekosten. Das Handelsgericht weist jedoch die Klagen beider Partien ab. Die Begründung: Die Rüge der Planungsfehler sei nicht rechtzeitig erfolgt, weshalb die Mängel als stillschweigend genehmigt gelten. Was nicht bedeutet, dass die Fehler nicht begangen wurden.

Die Stadt Winterthur wendet sich daraufhin ans Bundesgericht, welches die Klage aber ebenfalls ablehnt. Denn: Nach gängiger Praxis müssen Mängel innert drei bis sieben Tagen nach Entdeckung gerügt werden. Die Verantwortlichen der Stadt Winterthur haben diese Frist nicht eingehalten. Deshalb bleibt ihnen ein Verlust von rund 3 Millionen Franken.